Immunstörungen bei hormoneller Verhütung
Auftreten gehäufter Infekte
Einige Studien weisen auf ein häufigeres Auftreten von Harnwegsinfekten bei Pillenbenutzerinnen hin. Aus eigenen Beobachtungen kann das gehäufte Auftreten von Sinusitis (= Nebenhöhlenentzündung), Angina (=Rachenentzündung) und Tracheobronchitis (= Entzündung von Luftröhre und Bronchien) bei Pillenbenutzerinnen ergänzt werden. Diese bei Benutzung der Anti-Baby-Pille häufiger auftretenden Infekte sind oft nach Ende einer Antibiotikatherapie rezidivierend (= wiederkommend). Gelegentlich trotzen die Infekte jedem Therapieversuch, z.B. bei monate bis jahrelangem Husten.
Unterdrückung der Immunantwort
Ein geschlechtlicher Unterschied bei der Immunantwort ist schon lange Zeit bekannt gewesen, aber wenig Aufmerksamkeit wurde bisher der möglichen Rolle gezollt, welche die Sexualhormone bei der Immunantwort-Regulation spielen. In der Studie des BRITISH COLLEGE OF GENERAL PRACTITIONERS von 1974 zeigen Pillenbenutzerinnen ein häufigeres Auftreten bestimmter Infektionskrankheiten. Unterstützung dieser Erkenntnis, dass orale Kontrazeptiva das Infektionsrisiko erhöhen, wurde durch andere Studien gegeben.
Die Antikörper-Antwort auf Tetanus-Toxoid (= abgeschwächtes Gift von Tetanusbakterien, mit welchem die Immunreaktion getestet wird) ist bei Pillenbenutzerinnen als bedeutend geringer erkannt worden als bei Kontroll-Gruppen.
Eine unterdrückte Reaktion der Lymphozyten (= weiße Blutkörperchen, Immunzellen) auf Phytohämagglutinin (PHA = Biochemikalie, welche eine Lymphozytenreaktion hervorrufen kann) ist bei einer Reihe von Pillenbenutzerinnen im Jahre 1972 beobachtet worden.
Die Verminderung der PHA-Antwort spiegelt eine verschlechterte Funktion der T-Zellen (= bestimmte Lymphozytenart) wieder, und diese Erkenntnisse sind deswegen von Interesse, weil eine verminderte T-Zell-Funktion bei verschiedenen Autoimmunkrankheiten von Wichtigkeit ist. Eine andere Folge längerer Verschlechterung der T-Zell-Funktion ist die vermehrte Empfänglichkeit gegenüber infektiösen Erkrankungen. (MSED, S. 1004)
In ENDOCRINE REVIEW schreibt GROSSMAN 1984 in dem Artikel "REGULATION OF THE IMMUNE SYSTEM BY SEX STEROIDS", dass Östrogene mehrere Effekte auf die Antikörper-Formation hätten. Östrogene unterdrückten verschiedene zellvermittelte Immunantworten, und es sei die Unterdrückung der tumorassoziierten Immunantwort gegen bösartigen Prostata- oder Brustkrebs nachgewiesen worden. (S. 440)
Er kommt zu dem allgemeinen Schluss, dass das Genitalsystem (= System der Geschlechtsdrüsen und deren Regulierung) über die HHG-Thymus-Achse (HHG = Hypothalamus-Hypophyse-Geschlechtsdrüsen-Achse) das Immunsystem reguliert. Und es hätte gezeigt werden können, dass das Immunsystem seinerseits das Genitalsystem steuere. (S. 448)
In den abschließenden Bemerkungen heißt es: "Die Vermutung, dass endokrines System und Immunsystem voneinander abhängig seien, wurde erstmalig schon vor längerer Zeit gemacht, aber das Ausmaß dieser Wechselwirkungen wird erst jetzt voll sichtbar. (...) Es ist sehr wahrscheinlich, dass die HHG-Thymus-Achse nicht nur für die Regulation des Immunsystems eine große Bedeutung hat, sondern dass ihre Wirkungen sich auch auf viele andere Körpersysteme erstrecken". (S. 450)
Entstehung von Krebs
Unter der Einnahme der Pille gibt es veränderte Risiken, an Krebs zu erkranken: Das Risiko, an gut- oder bösartigen Lebertumoren zu erkranken, ist bei Pillen-Benutzerinnen erhöht. Hier muß man unterscheiden zwischen der Einnahme von weiblichen Hormonen, Östrogenen und/oder Gestagenen, zur Empfängnisverhütung ("Pille") und der Behandlung von Wechseljahresbeschwerden. Die verwendeten Hormone unterscheiden sich sowohl im Feinbau (chemische Struktur) und auch die jeweils eingenommenen Mengen (Dosierungen) sind unterschiedlich.Während der Einnahme der empfängnisverhütenden Pille und bis zu 10 Jahre danach besteht ein geringfügig erhöhtes Risiko, an Brustkrebs zu erkranken. Danach ist das Erkrankungsrisiko gleich wie bei den Frauen, die niemals die Pille genommen haben.
Orale Verhütungsmittel erhöhen das Risiko an Gebärmutterhalskrebs zu erkranken. Das Risiko sinkt jedoch mit Beendigung der Einnahme. Eine Studie der University of Oxford hat nachgewiesen, dass das Risiko mit der Dauer der Einnahme anstieg. Zehn Jahre, nachdem keine Pille mehr eingenommen wurde, war das Risiko gleich hoch wie bei Frauen, die sie nie geschluckt hatten. An der in The Lancet veröffentlichten Studie nahmen mehr als 52.000 Frauen teil.
Ebenso wird eine Abhängigkeit beim Auftreten des Gebärmutterhalskrebses von der Dauer ehemaliger Pillenbenutzung gefunden. Unter den Pillenbenutzerinnen, welche gehäuft Genitalinfektionen in der Krankengeschichte haben, gibt es eine verstärkte Tendenz, noch während der Pilleneinnahmephase an Gebärmutterhalskrebs zu erkranken.
Eierstockkrebs tritt bei Pillenbenutzerinnen allerdings seltener auf als bei Nichtbenutzerinnen. Je nach Pilleneinnahmedauer vermindert sich das Risiko um 1/4 bis die Hälfte. Bezüglich der Entstehung von Brust-Tumoren gibt es widersprüchliche Studienergebnisse. Gutartige Brust-Tumoren sind unter der Pille vermindert aufgetreten. Das Auftreten von bösartigem Brustkrebs ist während der zurückliegenden 40 Jahre zwar angestiegen, jedoch können auch andere Ursachen, ja sogar ein spontanes Ansteigen der Brustkrebsrate diesen statistischen Anstieg begründen. 1981 wurde in einer Studie herausgefunden, dass das Risiko für die Entstehung von Brustkrebs dann erhöht ist, wenn die Pille von sehr jungen Frauen bereits vor der ersten Schwangerschaft genommen wurde. (MSED, S. 1024 ff.)
Der Zusammenhang zwischen der Entstehung eines Krebsleidens und der Einnahme von Kontrazeptiva wird derzeit wissenschaftlich noch diskutiert. Das National Toxicology Program (Report on Carcinogens, Tenth Edition, USA) hat in seinem neuesten Bericht, der zur Zeit nur informativen und keinen rechtlichen Bindungscharakter besitzt, “steroidale Östrogene” in die Liste potentiell krebserregender Stoffe aufgenommen. Studien lassen vermuten, dass Östrogene das Brustkrebsrisiko erhöhen, aber gleichzeitig das Risiko, an Eierstock- oder Gebärmutterkrebs zu erkranken, senken. Hormonelle Kontrazeptiva sind dabei von Präparaten, die bei der Hormonersatztherapie Anwendung finden, streng zu unterscheiden.
Weitere Immunstörungen
Unter der Pille kommen gehäuft Pilzinfektionen der Scheide und bakterielle Harnwegsinfekte vor. Die Ursache für das Auftreten von Scheidenpilz liegt in einer Erhöhung des pH-Wertes der Scheide. Eine zytologische Untersuchung der mikrobiologischen Vaginalflora bei 74 Frauen, die niedrigdosierte orale Kontrazeptiva einnahmen, zeigte ein verstärktes Auftreten krankhafter Veränderungen. (MSED, S. 1003)
Quellen: Buch: "Meyler´s Side Effects of Drugs", curado.de, Ärzteblatt, NCBI, brustkrebs-info.de, whi.org, zentrum-der-gesundheit.de, aktion-leben.de